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Siemens-Med auf den Wettbewerb getrimmt
Bereichschef Prof. Reinhardt und die Geschäftsstrategie – Täglich zwei Patentanmeldungen – Hoher Ertrag
Das Handballteam des HCE Erlangen ist in die dritte Liga abgerutscht, der Förderclub für Spitzenhandball, die Karl-Heinz-Hiersemann-Gesellschaft, besitzt vom Niveau her das Prädikat der 1. Liga und Prof. Erich R. Reinhardt, Bereichschef von Siemens Medical Solutions, Vortragsgast im Kosbacher Stadl, spielt in der Weltliga.
So jedenfalls lassen sich in der Sprache des Sports die Unterschiede populär erklären – aufgezeigt vor einem vollem Haus, das gefangen genommen wurde vom an die Leinwand geworfenen Bild einer Jacht, die hart gegen den Wind segelt und die Anstrengungen dokumentiert, die die Erlanger Medizintechnik im globalen Wettbewerb unternehmen muss. Angesichts eines Preisverfalls von sechs Prozent und potenten Konkurrenten wie General Electric und Philips müssen an der Erlanger Henkestraße jedes Jahr 400 Millionen Euro Kosten aufgefangen werden, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Reinhardt hat 1994 die Medizintechnik in einem Zustand übernommen, der viele Analysten aus der Börsenszene zu einem Verkauf drängen ließ. Heute gehört Siemens-Med zu den Ertragsperlen im Konzern – und der gebürtige Schwabe Reinhardt, 2001 in den AG-Vorstand berufen, zu den Vorzeigemanagern des Global Players. Der Honorarprofessor der Universität Stuttgart und Ehrendoktor der Technischen Fakultät der FAU wirkt in mehreren wissenschaftlichen Kuratorien. Die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Universität hat der Elektroniker optimiert – was zu zahlreichen Synergien und damit Patenten führte. Heute fehlt es deshalb nicht an Innovationen – „vielmehr müssen wir aus den vielen Ideen die besten heraussuchen“. Wobei Forschung und Entwicklung zunehmend in den USA und Asien stattfinden – und die entsprechenden Arbeitsplätze in Deutschland vor allem durch Vernetzung erhalten werden können.
Die Strategie bei Siemens-Med lässt sich auf eine einfache Formel reduzieren: Qualitätssteigerung und Kostenminimierung durch Innovationen und Prozessoptimierung. Da fällt dann auch schon einmal anspruchsvolle Technik durchs Sieb, weil die dieser Strategie nicht entsprochen hat. 674 Millionen Euro wandte Siemens-Med (im Geschäftsjahr 2002/03) für Forschung und Entwicklung auf, in Erlangen/Forchheim (03/04) 325 Millionen. 600 Patentanmeldungen, 12000 Besucher in einem Jahr – das dokumentiert denn auch die Kompetenz des hiesigen Standorts.
Doppelte Produktion
Klinische Systeme, die einen Rückgang der Fehlmedikationen um bis zu 73 Prozent bringen, Hörgeräte mit einem Gewicht von gerade mal eineinhalb Gramm oder die neuesten Computer- und Magnetresonanztomographen als weltweit ersten 64-Zeiler sind Beispiele für die Innovationskraft. Und die Prozessoptimierung? Von 1998 bis 2004 stieg die Produktion von Computertomographen auf das Doppelte. Reinhardt: „Wenn Sie diese Produktivität nicht schaffen, dann fallen Sie herunter“.
Das gilt vor allem für die USA, wo Medical Solutions inzwischen rund die Hälfte seines Umsatzes erwirtschaftet. Zweiter Schwerpunkt ist Südostasien, das – einschließlich Japan – mit 14 Prozent Anteil das Stammland Deutschland (zehn Prozent) bereits überholt hat. Allein der medizintechnische Markt in China wird auf über 2,5 Milliarden Euro geschätzt.
Da bleibt also noch viel zu tun für die insgesamt 31000 Mitarbeiter von Siemens-Med in aller Welt, die zu einem imposanten Ergebnis beitragen: Über eine Milliarde Euro als Ertrag bei einem Umsatz von rund sieben Milliarden Euro – das kann sich sehen lassen.
20.01.2005 Udo B. Greiner