© Erlanger Nachrichten

„Fundamental falsch“

Prof. Radermacher sprach bei Hiersemann-Gesellschaft

Professor Franz Josef Radermacher, unter anderem Leiter des Instituts für anwendungsorientierte Wissensverarbeitung in Ulm und Inhaber des Lehrstuhls für Informatik und Gesellschaft an der dortigen Universität sowie Verfasser zahlreicher Bücher, war zu Gast bei der Karl-Heinz-Hiersemann-Gesellschaft und referierte im Unicum über den „Standort Deutschland im Kontext der Globalisierung".

Das eigentlich trockene Thema wurde dabei zu einem begeisternden und messerscharf pointierten Vortrag, der die rund 100 Gäste aus dem Sponsorenkreis des HC Erlangen fesselte und am Schluss zu viel Beifall hinriss. Die unkontrollierte Globalisierung der Märkte entlarvte Radermacher als einen Zustand, den niemand so gewollt habe und der dafür sorgt, dass immer weniger Menschen über immer mehr Geld verfügen.

20 Prozent der Menschen besäßen heute 80 Prozent vom großen Kuchen, aber bis zum Jahre 2050 werde die Weltbevölkerung von sechs auf zehn Milliarden zunehmen. Auch die Zahl der Reichen würde sich drastisch erhöhen, was aber die Welt nicht mehr aushalten könne.

Wenn man den eingeschlagenen Weg weiter gehe, dann würden wir Terror bekommen, wie wir ihn bisher nicht erlebt hätten, und Reiche würden noch reicher und Arme noch ärmer. Wenn man aber den Weg nehmen würde wie ihn die Europäische Union mit der Integration ärmerer Länder geht, dann könne in 50 bis 100 Jahren einigermaßen Ruhe herrschen auf der Erde.

Radermacher nannte das den „Globalen Marshall Plan". Seine Kernbotschaft ist: Die Globalisierung läuft „fundamental falsch", weil eine „Plünderertruppe" sie beherrscht. Doch ein Mittelständler — die meisten der Zuhörer gehörten dieser Gruppe an — müsse vorrangig versuchen an immer mehr Geld zu kommen. Der beste Job sei Berater, die großen Haufen von Geld verwalten. Aber für die, so Professor Radermacher, sei der Begriff „Heuschrecken" sogar noch ein Kompliment.

Um letztendlich erfolgreich zu sein müsse man nicht einmal richtig gut sein, sondern nur besser als die anderen.

Gegen die Wand

Der Wirtschaftswissenschaftler gibt der Menschheit eine zweidrittel Chance, dass sie mit der Globalisierung an die Wand fährt. Aber die Chance, dass wir sie hinbekommen, schätzt er immerhin noch auf ein Drittel ein.

Zum Schluss kam dann noch der Mathematiker Radermacher hervor: Wenn nur ein Mensch anfängt und im ersten Jahr nur einen anderen vom neuen Weg überzeugt, dann aber jeder Überzeugte pro Jahr wieder einen überzeugt, und wären nach 33 Jahren alle Menschen auf diesem Erdball auf dem richtigen Weg. Man möge mal nachrechnen. kds

14.7.2005 0:00 MEZ

Zurück

Um unsere Webseite für Sie optimal zu gestalten und fortlaufend verbessern zu können, verwenden wir Cookies. Durch die weitere Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen zu Cookies erhalten Sie in unserer Datens Weiterlesen …