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Kühle Schuhe und Bussi-bussi-Design
adidas-Vorstandsmitglied Michel Perraudin referierte bei der Karl-Heinz-Hiersemann-Gesellschaft
HERZOGENAURACH. Sportmuffel hatten am Dienstagabend keine Chance. Die Karl-Heinz-Hiersemann-Gesellschaft hatte ins Hotel HerzogsPark geladen und Handballer wie Global Player waren gekommen. Der Gastredner des Abends, Michel Perraudin, entblätterte bei dieser günstigen Gelegenheit die Erfolgsstory der adidas-Salomon AG.
Wohin man auch schaute, nur Sieger waren zu sehen: Die Handballer des HC Erlangen feierten den Klassenerhalt in der 2. Liga, regionale Politikprominenz gab sich die Klinke in die Hand, und auf der Leinwand tummelten sich die aus der ersten Liga gar gleich im Duzend – bevorzugt in den Disziplinen Fußball, Golf und Wintersport, entsprechend dem Marken-Trio adidas, TaylorMade und Salomon.Zur musikalischen Untermalung der filmischen Siegerparade diente, wie könnte es anders sein, der Spiderman-Song „Hero“ von der Gruppe Nickelback.Einen kurzen Werbetrailer hatte nämlich adidas-Vorstandsmitglied Michel Perraudin mitgebracht, um die Gäste emotional auf das Thema seines einstündigen Vortrags einzustimmen: die fast unglaubliche Geschichte der Firma mit den drei Streifen von der Gründung bis hin zu neuen globalen Strategien im Wirtschaftswettkampf.
Alles begann in den 20er Jahren mit Adi Dassler und seiner Schuhfabrik in Herzogenaurach. Man blicke also auf eine industrielle Tradition zurück, an der das Unternehmen, so Perraudin, in den 80er Jahren fast gescheitert wäre.Die Brüder Adi und Rudolf stritten und entzweiten sich bald – und gründeten 1948 adidas und Puma, zwei Sportartikelgiganten im dauerhaften Wirtschaftsclinch. „Jeder wollte besser und erfolgreicher sein als der andere. Dieser Wettbewerb hat die Dynamik der Branche beflügelt.“Ende der 80er Jahre ging es dann steil bergab, die Familie musste verkaufen, 1992 ist das Unternehmen fast pleite. Michel Perraudin nannte den Grund: Nicht mehr als technisches Produkt mache nämlich der Sportartikelschuh künftig das Rennen, sondern als Konsumgut mit starkem Marketing. Die Produktion in Deutschland war zu teuer.
Lichter gingen aus
Um die Substanz des Unternehmens zu sichern, wurden folglich sämtliche Eigenfertigungen geschlossen, in über zehn Textil- und 15 Schuhfabriken gingen schließlich die Lichter aus. Der Gewinn wurde insMarketing gesteckt. Das Unternehmen dankte es mit einer rasanten Entwicklung: Von 1,4 Milliarden Euro imJahr 1992 wuchs derUmsatz auf 6,5 Milliarden Euro im Jahr 2002. adidas-Vorstandsmitglied Perraudin erwähnte auch die Opfer der Rosskur: Mehr als 10 000 Konzern-Mitarbeiter verloren bis 1994 ihre Jobs. Dann die „Wiedergeburt“: Die Personalzahl stieg kontinuierlich, im Jahr 2002 wurden weltweit wieder rund 15 000 Mitarbeiter beschäftigt, viele jung, international und hochqualifiziert. „Von so jungen Leuten umgeben zu sein, hält auch mich jung“, bekannte der Redner. „Am Wochenende kehre ich immer wieder zu den Greisen zurück.“
Unter den 800 Menschen, die in der Herzogenauracher Konzernzentrale arbeiten, befinden sich 380 Ausländer. „Nicht ohne Grund“, so Perraudin, „wurde adidas zu einem der attraktivsten Arbeitgeber Europas gewählt!“ Er lieferte beeindruckende Zahlen: „adidas ist heute eines der weltumspannendsten Unternehmen und der zweitgrößte Sportartikelhersteller der Welt mit dem besten Markenportfolio der Industrie.“ Ein Rekordumsatz von 6,5 Milliarden Euro wurde 2002 eingefahren, der Gewinn stieg um zehn Prozent. Schulden, die durch den Kauf des Wintersportartikel- Herstellers Salomon entstanden waren, konnten weiter abgebaut werden. Den Kapitalmarkt freut’s: Die adidas-Aktie kletterte 2002 zum zweiten Mal auf die Spitzenposition im DAX 30, dabei ging der Index um ganze 40 Prozent zurück.
„Konnten nicht anders“
Auch die olympischen Winterspiele 2002 in Salt Lake City ließen die Kassen klingeln: Mehr als die Hälfte aller Sportler ging mit adidas- oder Salomon- Produkten an den Start. „Mit dieser Ausrichtung konnten sie nichts anderes tun, als Medaillen zu gewinnen“, scherzte Perraudin. Rund 200 Scheiben aus blinkendem Edelmetall sind es schließlich geworden. 2002 wurde auch eine neue Marketingstrategie entwickelt: Die Marke inklusive Logos teilte man in drei Divisionen auf. Jetzt kommt keiner mehr an adidas-Produkten vorbei, denn auch nicht die kleinsten Wünsche der unterschiedlichen Zielgruppen lässt man offen. Die Hobby- und Profi-Sportler von der Schweiß-Blut-und-Tränen- Fraktion werden mit der Produktpalette „Sport Performance“, dem traditionellen Sportgeschäft, bestens bedient. Die Life-Style-Szene trägt auf der Pirsch nach Fun und gutem Aussehen künftig adidas aus dem„Sport Heritage“-Bereich. Auch die Bussi-Bussi-Gesellschaft darf sich freuen: Sie flaniert mit Edel-adidas aus der „Sport Style“-Schiene, entworfen vom japanischen Star-Designer Yohji Yamamoto, stilsicher übers gesellschaftliche Parkett. Zudem eroberten im Jahr 2002 Schuhinnovationen den Markt, wie der „ClimaCool“, der Schuh mit eingebauter Klimaanlage, ein Segen für jeden fußschweißgeplagten Marathonläufer.
Das Jahr 2003 lief ebenso gut an: Perraudin berichtete vom besten ersten Quartal seit drei Jahren mit einem Umsatzplus von 12 Prozent. Die Zukunft leuchtet für adidas scheinbar in den rosigsten Farben, doch der Abgrund ist oft nur einen Fußbreit entfernt. Damit das Unternehmen auf demWeg an die Spitze nicht auf den Holzweg gerät, weisen „Vorwärtsstrategien“ in die vermeintlich richtige Richtung. Produkte schneidere man, so Perraudin, den Konsumenten zunehmend auf den anspruchsvollen Leib, eine führende Stellung in Design und Innovationen würde anvisiert und trotz Erfolges zöge man die Kostenschraube weiter an. Die Trauben hängen hoch: Nr. 1 in Europa will man bleiben, Nr. 2 in den USA werden, im Basketball lockt Nr. 2, im Rennsport Nr. 1 ebenso wie im Wintersport, Fußball und Life- Style-Bereich – adidas ist klar im Medaillenrausch. Michel Perraudin spornte an: „Wir haben heute Silber, Herbert Hainer hat uns klar aufgestellt und ausgerichtet. Wir kennen das Ziel und den Weg: Let’s go for gold!“
15.05.2003 Marianne Schlothauer