
© Erlanger Nachrichten
„Keinesfalls abgehoben“
Ingo Friedrich bei der Hiersemann-Gesellschaft
Zum Thema „Der Europäische Traum: Vision oder Albtraum“ referierte der Vizepräsident des Europäischen Parlaments Ingo Friedrich auf Einladung der Karl-Heinz-Hiersemann-Stiftung.
Einige der häufigsten Kritikpunkte der Bürger, nämlich fehlende Demokratie in der Europapolitik, zu viel Einmischung in die Interessen der Staaten, fehlende Transparenz und zu viel Bürokratie, die Agrarpolitik und die Osterweiterung beleuchtete er dabei und analysierte die Themen detailliert. Die Bürokratie müsse abgebaut werden, aber ansonsten seien alle Kritikpunkte widerlegbar, meinte der Europapolitiker. „Europa ist ein Teil unserer Zukunft,“ stellte er unter dem Beifall der rund 50 Gäste im Kosbacher Stadl fest.
In der Diskussion machte er auf die Frage von Martin Böller, dem Vorsitzenden der Hiersemann-Gesellschaft, klar, dass Europapolitiker keineswegs abgehoben seien und den Kontakt zur Basis verloren hätten, wie oft vermutet werde. So erhalte er rund 30 Briefe pro Tag mit ganz konkreten Problemen, um die er sich auch kümmere.
Auch auf die Diäten der Abgeordneten wurde er angesprochen und räumte ein, dass einige Hinterbänkler manchmal etwas zu viel verdienen würden. Die Unterschiede in den Salären – ein Litauer Abgeordneter erhält 700 Euro, ein Deutscher 7000 und ein Italiener 11000 – wurden angesprochen. Es sei halt alles nicht so einfach, und das gelte auch für die Europäische Verfassung, für deren Verabschiedung es laut Ingo Friedrich „vielleicht nicht die notwendige Mehrheit gibt“.
Top-Leute benötigt
Insbesondere bemängelte er in der Diskussion die, wie er sagte, „jahrelange Zweitklassigkeit“ der deutschen Abgeordneten, weil „oft ausrangierte Politiker“ nach Brüssel geschickt würden. „Wir brauchen in Brüssel Top-Leute, wie sie andere Länder entsenden,“ forderte er.
Umfangreiche Diskussionen kamen nicht zustande. Aber der Vizepräsident hatte den Gästen lebendig und in sympathischer Weise das neue Europa etwas näher gebracht. Auch die Osterweiterung sei kein Albtraum, sondern durchaus auch eine Perspektive.
kds 18.10.2004