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Masterplan zur Energiewende gefordert
Areva-Lounge: Stadtwerke-Chef Wolfgang Geus appelliert an die Politik nachzubessern
Das hatte sich der Amtschef des Bayerischen Wirtschaftsministeriums, Ministerialdirektor Bernhard Schwab, beim Frühstück in München nicht träumen lassen, dass er am Abend in der Areva-Lounge in Erlangen seine Chefin, die Ministerin Ilse Aigner, vertreten würde müssen.
ERLANGEN – Der Grund: Ministerpräsident Horst Seehofer hatte nach dem Staatsempfang in Bayreuth, der Presse gegenüber dementierte gesundheitliche Probleme bekommen und Aigner, seine Stellvertreterin, musste ihn am Tag danach in München vertreten – und die angekündigte Teilnahme bei der Diskussionsrunde um die Energiewende, mitveranstaltet von der Karl-Heinz-Hiersemann-Gesellschaft, absagen.
„Zu kurz gesprungen“
So sah sich Schwab, vor seinem Wechsel ins Ministerium bis 2013 Hauptgeschäftsführer der CSU, der Kritik des Erlanger Stadtwerke-Vorstandschefs Wolfgang Geus ausgesetzt, der – mehrmals vom Beifall im voll besetzten Saal, unter anderem mit dem früheren Ministerpräsidenten Günther Beckstein, unterbrochen – von der Politik einen längst fälligen Masterplan für die Energiewende einforderte.
2011 habe man – so Geus – einen Konsens zur Abschaltung der Kernkraftwerke vereinbart und dann sei, außer dass man sich mit langwierigen Auseinandersetzungen auf den Bau des Leitungsnetzes konzentriert habe, nichts Wesentliches mehr geschehen: „Es wurde zu kurz gesprungen und es fehlt ein ganzheitlicher Ansatz.“ Geus, der große Kostensteigerungen auf Steuerzahler und/oder Verbraucher zukommen sieht, plädiert für 50 Prozent regenerative Energien und 50 Prozent Gas-Kraftwerke – die allerdings „zurzeit nicht vernünftig zu betreiben sind“. Ihm fehlt die Fantasie, wer solche angesichts der ökonomischen Defizite bauen soll. Geus forderte dazu auf, den Bürgern reinen Wein einzuschenken – auch über die 20 bis 25 Meter breiten Trassen, die für die Verlegung der alternativ verlangten unterirdischen Erdkabel erforderlich sind und alle mit Aufgrabungen realisiert werden müssen.
Urban Keussen, Geschäftsführer von Tenne T, dem Betreiber des Übertragungsnetzes von der Nordsee bis an die Alpen, sprach von zweieinhalb Jahren, die man bis jetzt verloren habe und forderte gleichsam mit Geus die Politik auf, endlich „ein Signal zu setzen“. Man müsse der Öffentlichkeit ehrlich sagen, dass Sonnen- und Windenergie nicht ausreichen, um die Stromversorgung in der Zukunft sicherzustellen. Schwab räumte ein, dass es aufgrund fehlender Erfahrungen keinen Masterplan gebe. Man sei deshalb darauf angewiesen, das Konzept immer nachzujustieren. Man habe die Probleme erkannt. Deshalb werde auch die Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung wie in Erlangen verdoppelt. Zuvor hatte Oberbürgermeister Florian Janik in einem Impulsreferat den Stadtwerken bei der Energiewende „eine ganz zentrale Rolle“ eingeräumt und dafür geworben, die Kommunen bei der Energiewende stärker einzubinden. Die derzeitige Situation mache, was die Erlanger Stadtwerke betrifft, deren Aufsichtsratsvorsitzender Janik ist, „wirtschaftlich keinen Spaß“. Auch er sah erheblichen Kommunikationsbedarf gegenüber den Bürgern, würden doch die notwendigen Bauten die Menschen erheblich stören – „ein Umstand, der nie offensiv zu Ende erzählt“ worden sei.
Moderne Standards zu entwickeln wie eine Energie-Plus-Siedlung oder ein integriertes Klimaschutzkonzept im Einklang mit den Bürgern, sei nur vor Ort möglich. Die Kommunen bräuchten dafür aber Handlungsoptionen, eine klare Aussage zum Problem der Speicherung: „Ich habe noch keine Alternativen zu unserem Gasnetz gehört.“ Für ihn sind die Stadtwerke „weiterhin ein tragfähiges Wirtschaftsmodell“, zumal damit der Öffentliche Personennahverkehr finanziert werde.
Eingangs hatte der Sprecher der deutschen Areva-Geschäftsführung, Stefan vom Scheidt, auf das umfassende Know-how seiner knapp 5000 Mitarbeiter „als weltweit akzeptierter und geachteter Partner bei der Kernenergie“, aber auch auf die neuen Wege im Bereich der Offshore-Windenergieanlagen hingewiesen – mit 120 Turbinen in der Nordsee, die 600 Megawatt für zusammen 600000 Haushalte erzeugen. Zurzeit arbeitet Areva an Energiespeichern mit Wasserstoff. UDO B. GREINER
Erlanger Nachrichten vom 30. Juli 2015